Die Gräte
Wir, fünfundsiebzig
Ehrenclubmitglieder eines großen deutschen Unternehmens, waren für drei
Tage in Lissabon eingeladen.
Eigentlich ein ganz
passabler Verein. Auch an der Kleiderordnung konnte man mühelos erkennen,
dass es sich um geschäftlich besonders aktive Menschen handelt. Die Damen
in schönen Kleidern und die Herren in eleganter Kluft.
Zwei Herrschaften
vielen mir besonders auf. Ein Topmitarbeiter mit seiner Gattin aus
Hamburg. Er ist schon seit vielen Jahren für das Unternehmen tätig.
Seine große
Erscheinung, der weiße mit Pailletten bestückte Anzug ließ einen jeden
Betrachter erkennen, dass dieser Herr nicht in Ostfriesland geboren wurde.
Die beiden stammen
aus Usbekistan und sind für mein Empfinden ganz liebe und hilfsbereite
Menschen.
Mit drei Bussen
fuhren wir durch Lissabon. Unser Ziel war ein ganz besonderes
Fischrestaurant, welches man, wenn man in Lissabon verweilt, unter gar
keinen Umständen auslassen darf.
Aus dem
klimatisierten Bus gingen wir direkt in ein schneeweißes, großes
Restaurant, welches direkt am Meer seinen Gästen die allerfeinsten Genüsse
präsentiert.
Neben mir saß Anne,
die rechte Hand vom Vorstand, gegenüber nahmen einige Filialdirektoren mit
ihren Frauen Platz und neben Anne saß Dr. Freese, der sich bei jedem
Bissen den Mund abtupfte.
Direkt vor mir
erblickte ich einen elfenbeinfarbenen Plastikhammer, ein großes, silbernes
Tablett mit Hummer, Scampis und Taschenkrebsen, jede Menge weiße
Damastservietten, Kerzen, Wein- und Wassergläser.
Meine Tischnachbarn
begannen damit, sich mit den Tischutensilien zu beschäftigen. Anne hatte
gleich den Hammer in der Hand und Klaus, der mir gegenüber saß
begutachtete das Fischbesteck.
Mir fiel Knigge
wieder ein:
"Krebse werden von
Hand gegessen. Zum auseinandernehmen sollten jedoch Teller, Gabel und
Krebsmesser bereitliegen!"
Das Krebsmesser war
sicher der Hammer.
"Bei Krabben, Hummer
&Co. Muss man erst die Schale brechen, bevor das Essvergnügen beginnen
kann!"
Beinchen auf den
Untersetzer und einmal mit dem Hammer d'raufgekloppt!
Die Teller meiner
Nachbarn wuchsen zu grandiosen Bauwerken an. Heiner aus Rostock, schräg,
rechts vor mir, war gerade dabei zu überlegen, wo er weitere Schalen
lassen könnte, als er von der vorbildlichen Bedienung einen neuen Teller
gereicht bekam. Anne war immer noch mit dem Hammer dabei sich hungrig zu
essen. Mir persönlich schmeckten die gereichten Beilagen am besten. Brot,
Schmalz und Wein. Na gut, einen Scampi kann ich noch essen.
Fisch muß schwimmen.
Auf meinem Blick, den Kellner zu finden, trafen meine Augen den Koch am
Bassin, der gerade einen lebenden Hummer herausholte, ihn auf den Tresen
warf, mit langem Messer in Kopfhöhe zustach und dabei den ganzen
Hummerkörper in zwei Teile schnitt.
Die großen, mit
Krabbenschalen aufgetürmten Teller wurden abgeräumt und wir freuten uns
auf den weiteren Gang. Ein neues Essbesteck wurde gereicht.
Das Restaurant war
rappelvoll und auf dem Grill entstanden ständig neue Delikatessen. Jetzt
gab es Barsche, die so groß waren, dass sie rechts und links über den
Tellerrand lugten. Ich nahm also mein Fischbesteck und begann das Teil vor
mir zu filieren. Lecker! Gerade wollte ich mit der Gabel vom Teller
abheben, als ich einen gewaltigen Ruck in die Rippen bekam.

Anne, die völlig
verstört mit den Händen gestikulierte, versuchte mir mitzuteilen, dass
etwas am langen Tisch nicht in Ordnung war:
"Guck doch mal -
guck doch mal wie die essen!"
Ich schaute am Tisch
entlang und entdeckte am Ende unseren Freund in weiß aus Mittelasien.
Aus beiden Fäusten
schauten Gabel und Fischmesser nach unten heraus und der Barsch wurde
angestochen und emporgehoben während die Gabel von unten unterstütze. So,
den Fisch aufgenommen, wurde der Fisch direkt mit dem Kopf zuerst in den
Mund geschoben. Anne riss immer noch an meinem Ärmel und sagte mit völlig
aufgelöster Stimmlage:
"Schau doch nur, wie
der den Fisch isst! Er hat direkt in den Kopf gebissen und guck doch mal
jetzt!" Wieder der Kniff in den Arm.
Der zweite Biss und
der Kopf war weg. So wurde der Fisch weiter verspeist bis nicht einmal
eine Gräte übrig blieb. Anne kriegte sich zum Glück wieder ein, denn es
war uns peinlich, dass wir unsere Tischnachbarn beobachteten.
Auf meinem Teller
lag ein Kopf, ein Schwanz und eine lange Gräte. Wo hatte der Kerl das bloß
alles gelassen? Sein Teller war blitzblank!
Sehr vorsichtig
machten wir unsere Beobachtungen weiter. Der Teller war leer und man ging
am Tischende zu lustigen Gesprächen über.
Mit weit
aufgerissenem Mund und nach oben schauend verschwanden mehrere Finger um
nach Gräten zu suchen. Anne wurde wieder unruhig. "Schau doch mal,
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Der Prinz vom 12ten Planeten
Es gab kein Pfand
auf Gräten.
Mast-
und Schotbruch!
holli
Rächtzschreipfähler
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